Karl Rosenberger war Jude. Er wurde 1887 geboren und hat am 01. 05. 1911 das Heimatrecht in Hammelburg erhalten. Seine Eltern waren Elias Rosenberger (geb. am 02.04.1840 in Oberlauringen) und Auguste, geb. Lichtenstätter (*1853).
Rosenberger Elias war Lederhändler. Er wohnte 1882 in Hammelburg in der Josef-Schultheißstraße 5 (alte Haus - Nr. 220). Eine spätere Adresse der jüdischen Familie war die Rinecker Straße.
Elias Rosenberger starb am 26. 08. 1915 in Hammelburg (Sterbebuch 50/1915). Seine Frau Auguste verstarb im Jahr 1918 und wurde im Jüdischen Friedhof Pfaffenhausen beerdigt (Grabreihe 38 / Nr. 5). Karl Rosenberger war von Beruf Kaufmann. - Quelle: Stadtarchiv Hammelburg, Karl Stöckner.
Im September 1940 wurden 128 jüdische Patienten aus den bayerischen Heil- und Pflegeanstalten in das psychische Krankenhaus nach Eglfing-Haar deportiert und von dort am 20. September 1940 in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gebracht, wo sie ermordet wurden.
Aus der Pflege- und Heilanstalt Lohr wurden im September 1940 - 19 jüdische Frauen und Männer - nach Haar/Hartheim deportiert. Unter diesen Patienten war Karl Rosenberger. Auch aus dem Bezirkskrankenhaus Werneck gingen im September 1940 Todestransporte nach Haar/Hartheim. Quelle: Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz.
Im Dritten Reich wurden psychisch Kranke nicht selten in Schutzhaft genommen, insbesondere wenn sie Juden waren. In Hammelburg war nicht nur Karl Rosenberger davon betroffen, sondern auch Hugo Straus, jüdischer Schuhwarenhändler, der 1895 in Hammelburg geboren wurde und in der Bahnhofstraße 14 ein Geschäft und Haus hatte. Er war ein Bruder der Ella Steinkritzer, geb. Straus. Am 4. Oktober 1935 wurde Hugo Straus verhaftet und im Hammelburger Amtsgerichtsgefängnis von der Gestapo verhört. In der Gestapoakte heißt es:
"Er hatte einen Schuljungen verfolgt, den er verdächtigte, mit einem Gummischnelzer Steinchen in sein Anwesen geschossen zu haben. Er warf den Jungen nieder und verprügelte ihn, wobei er sich auf ihn kniete. Vor herbeieilenden Volksgenossen brachte er sich schnell in Sicherheit. Es entstand dort ein Menschenauflauf und vor der drohenden Menge musste Straus dann in Schutzhaft genommen werden." (Quelle: Gestapo Würzburg, Staatsarchiv Würzburg).
Was war vorgefallen? Seit April 1933, seit Gründung der HJ in Hammelburg, machten sich HJ-Jugendliche einen Spaß daraus, Hugo Straus zu ärgern. Sie wussten, dass er "nervenkrank" war. Auf dem Schulweg wurde auch sein Sohn - Manfred Straus, geb. 1928 - drangsaliert. Eines Tages wurden ihm auf dem Nachhauseweg von der Schule von fünf HJ-Jugendlichen die Vorderzähne ausgeschlagen. Seitdem ließ die Jüdische Gemeinde den gepeinigten Sohn des Hugo Straus von einem erwachsenen Gemeindemitglied auf dem Schulweg begleiten.
Hugo Straus wurde am 7. Oktober 1935 von der Gestapo in die Heil- und Pflegeanstalt nach Lohr eingewiesen. Er entkam der Euthanasie, dem Ermordungsprogramm der Nazis, durch Auswanderung. Nach Aufzeichnungen des Stadtarchivs Hammelburg ist Hugo Straus mit Sohn Manfred am 4. März 1938 nach Amerika, Cleveland - Ohio ausgewandert. Der Massenmord an psychisch Kranken und Behinderten begann ein Jahr später. Zwischen 1939 und 1941 wurden 70.273 Betroffene ermordet.
Quellen: Zeitzeugen aus Hammelburg: Klassenkameraden des Manfred Straus; Hermann Bock, Geschichtskreis Hammelburg; Friedrich Schäfer, Das Eindringen des Nationalsozialismus in das Alltagsleben einer unterfränkischen Kleinstadt, dargestellt am Beispiel Hammelburg für die Jahre 1922 bis 1935, Würzburg 1994; Karl Stöckner, Fundmaterialien zu einstmaligen jüdischen Bürgern Hammelburgs, Hammelburg 2000.
1918 war in der Heil- und Pflegeanstalt Lohr für jüdische Patientinnen und Patienten eine eigene Abteilung eingerichtet worden. Es gab dort koscheres Essen und eine seelsorgliche Betreuung durch einen Rabbiner.
Diese gute Betreuung jüdischer Patienten in der Heil- und Pflegeanstalt Lohr fand im November 1938 ein jähes Ende, als uniformierte SA-Männer - während des Pogroms am Morgen des 10. November 1938 - auch in die jüdische Abteilung der örtlichen Heil- und Pflegeanstalt eindrangen und dort randalierten.
1938 begannen im gesamtdeutschen Reich die ersten Deportationen von Juden aus psychischen Krankenhäusern und Behindertenheimen in Tötungsanstalten. Vom Euthanasie-Programm der Nazis waren Juden als erste betroffen.
Aus Lohr fanden im September 1940 entsprechende Deportationen in Tötungsanstalten statt. Insgesamt wurden über 600 Patient/inn/en des Bezirkskrankenhauses Lohr während der NS-Gewaltherrschaft ermordet.
Das Bezirkskrankenhaus Lohr erinnert seit 1993 in Gestalt einer großen Bronzeplatte, die vor dem Verwaltungsgebäude des Krankenhauses in den Boden eingelassen wurde, an die Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie (Vgl. Pressebericht in der "Zeit" vom 19.11.1993).
Die deportierten 19 jüdischen Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Lohr - September 1940
Ermordet am 20. September 1940 in Hartheim/Linz.
Blum Markus
Blumenthal Frieda
Frank Max
Hamburger Karolina
Hamburger Meta
Hichenberg Isabella
Krämer Gitta
Lamm Abraham
Lindenbergr Rosa
Löbenberg David
Neumann Wilhelm
Nussbaum Minna
Rosenberger Karl aus Hammelburg
Steinhardt Bernhard
Stern Arnold
Tannenwald Julius
Weil Heinrich
Weinstock Betty
Wohlfarth Siegfried
Quelle: Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz
Foto:
Ehemaliges Amtsgerichtsgefängnis Hammelburg
1836 - 1956
Gefängnis der Gestapo Würzburg 1933 - 1945
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